Bedrohung aus der Luft - der Bombenkrieg in Leichlingen

Aus Geschichte Leichlingen
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Bedrohung aus der Luft - der Bombenkrieg in Leichlingen

Mit Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 trat auch der Befehl zur "Verdunklung" in Kraft. Demnach durfte nach Einbruch der Dunkelheit draußen kein Lichtschein mehr sichtbar sein. Weiter wurde die "Volksgasmaske" an die Bevölkerung ausgegeben, sie gab es in allen erdenklichen Größen, so auch für Kinder, Babys, Hunde und sogar für Pferde.

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1939 wurde eine große Flakstellung auf dem Berg zwischen Kempen und Grünscheid erbaut. Der Beobachtungsturm steht noch heute und wurde in den Jahren nach dem Krieg als Wohnhaus umgebaut. Schon im Herbst 1939 wurde von hier ein Flugzeug abgeschossen, welches nahe Opladen an der Wupper abstürzte.

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Bilder vom Flakturm in Grünscheid, heute Wohnhaus. Fotos - Kiesewalter 2012.

Luftschutzsirenen wurden aufgestellt, diese sollten die Bürger der Stadt vor ankommenden Feindfliegern warnen. Es gab die Zeichen "Voralarm", "Luftalarm" und "Entwarnung". Ertönte das Zeichen "Luftalarm" wurde es ernst und man sollte schleunigst sehen, dass man in einen Keller oder Luftschutzraum kommt.

"Video Luftalarm"

1939 fielen in Leichlingen noch keine nennenswerten Bomben.

1940 landeten mehrere Bomben auf freiem Feld in Sonne nahe dem Bauernhof Wirtz. Darunter waren auch einige Blindgänger, welche danach von Pioniereinheiten der Wehrmacht gesprengt wurden.

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Sprengung der Blindgänger bei Sonne. Auf dem zweiten Bild sieht man den Kopf eines Mannes, welcher im Loch steht. Dies zeigt, welche Kraft in einer Bombe steckt und was für ein Loch dadurch entsteht. Beide Fotos: Stadtarchiv Leichlingen.

Im Jahr 1941 fielen dann die ersten "Dicken Dinger" aufs Stadtgebiet, so auch ein Reihenabwurf auf den Ortsteil In der Meffert. 7 Bomben gingen dort nieder und zerstörten 2 Häuser komplett, 7 wurden beschädigt. Tote gab es bei diesem Angriff zum Glück nicht. Insgesamt fielen 1941 22 Sprengbomben und 80 Stabbrandbomben aufs Stadtgebiet.

Jetzt wurde auch der Luftschutz weiter ausgebaut. Es entstanden Stollen hinter dem Hause Brocke (heute Gaststätte zur Blütenstadt) und Stüssgen (heute Kodi), Am Hasensprung und in der Mittelstraße oben auf dem Berg. Heute ziert ein Ritter diesen Eingang. Die Unterberger bauten den alten Stollen unter dem Schisselsberg zum Bunker aus.

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Foto des alten Bunkereingangs auf dem Bechlenberg mit dem Ritter. Foto : Kiesewalter 2012

Das Jahr 1942 verlief ohne schwere Bombenabwürfe. Gezählt wurden an die 900 Stabbrandbomben und 50 Phosphorbomben. Es entstand nur geringer Sachschaden und ein Mann wurde verletzt.

Es folgte das Jahr 1943 mit verstärkten Luftangriffen. Dabei wurde Leichlingen am 24.02., 29.06., 23.08. und 19.11. hart getroffen.

Beim Angriff am 29.06. wurde das evangelische Pastorat fast vollkommen zerstört. Auch das Rathaus am Hammer, die Färberei Römer, die evangelische Kirche und viele Wohnhäuser in der Umgebung wurden beschädigt. Am Müllerhof kam der Landwirt Karl Kauert durch Bomben zu Tode.

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Gedenkstein an Karl Kauert von seinen Freunden am Müllerhof. Foto: Wolfgang Müller

In der Nacht zum 23.08. fielen viele Brand- und Phosphorbomben auf das Gebiet Moltkestraße, Bismarkstraße, Bahnhofstraße und Uferstraße. Fast alle Häuser in dem Bereich erlitten Brandschäden. Auch auf dem Berge und in der weiteren Umgebung wurden Häuser durch Bomben vernichtet oder beschädigt. So auch der Saal der Gaststätte an der Trompete. Es war einen Nacht des Grauens, die unter der Bevölkerung Angst und Schrecken verbreitete.

Am 19.11. wurde durch den Abwurf einer Luftmine auf die Hochstraße weite Teile der Firma Rosenkaimer und der Häuser in der Umgebung beschädigt.

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Bilder der zerstörten Anlagen der Firma Rosenkaimer. Alle Fotos: Stadtarchiv Leichlingen.

1943 fielen in Leichlingen 7 Luftminen, 20 Sprengbomben, über 6000 Stabbrandbomben und mehr als 400 Phosphorbomben. 4 Häuser wurden zerstört, 6 schwer und über 900 mittel bis leicht beschädigt. 15 Bürger wurden verwundet oder erlitten körperliche Schäden. Karl Kauert und Herbert Bennert kamen durch Bomben ums Leben. Die Sirenen gaben 317 mal Alarm und so mussten die Leichlinger 246 Stunden in Luftschutzräumen verbringen.

Am Marktplatz, im Stadtpark und an den Schulen Kirchstraße, Bennert und Uferstraße wurden Röhrenbunker angelegt. Auf dem Bechlenberg wurde ein Luftbeobachtungsposten eingerichtet, welcher bei ankommenden Fliegern Alarm geben sollte.

Das Jahr 1944 steigerte sich dann nochmals in seinen Schrecken.

So gab es mehr als 1200 mal Fliegeralarm und die Bewohner mussten 720 Stunden in den Luftschutzanlagen verbringen. In 12 größeren Angriffen fielen: 1 Luftmine, 77 Sprengbomben, 1520 Stabbrandbomben und 150 Phosphorbomben. Insgesamt wurden 25 Menschen getötet und über 50 verwundet.

Am 04.10. wurde um 10:20 Uhr ein Personenzug im Bahnhof angegriffen. Ein Wagon erhielt einen Volltreffer, wodurch 20 Personen starben und an die 100 verletzt wurden. Dr. Peter Eickhoff aus Leichlingen war einer der Toten, die anderen kamen nicht aus Leichlingen. Zur gleichen Zeit kam Hugo Dicke auf der Immigrather Straße ums Leben.

Am Morgen des 23.12. wurden im Tiergarten Anne Maria Mentgen, Klara Behnke, Maria Schöllgen und Anton Teipel durch einen Bombenabwurf getötet.

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Foto des getroffenen Wohnhauses der Familie Koch im Tiergarten.

Ein von der Flak getroffener Bomber stürzte 1944 bei Zweieichen ab.

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Foto des abgeschossenen Bombers bei Zweieichen, der Flieger stürzte auf ein Wohnhaus, welches ebenfalls Feuer fing.

Jetzt wurde auch der große Bunker unter dem evangelischem Friedhof fertig gestellt. Er hatte 4 Eingänge. Einen von der Uferstraße und 3 weitere von dem Weg zum Pastorat. Noch heute kann man diese Eingänge deutlich sehen. Der Bunker konnte 900 Personen aufnehmen. Auch der Tunnel Moltkestraße wurde zum Luftschutzbunker ausgebaut, er bot 200-300 Menschen Schutz.

Klicken sie hier für weitere Infos und Bilder zum Bunker Uferstraße ---> Bunker Uferstraße

1945

Die Front rückte immer näher und so wurden auch die Luftangriffe immer stärker. Nun kamen auch Tiefflieger und Jagdbomber nach Leichlingen, die mit ihren Maschinengewehren auf alles schossen, was sich bewegte. Man lebte (wenn man noch von Leben sprechen kann) in ständiger Angst, viele Bürger schliefen nun nur noch in ihrem Keller und gingen, wenn es nicht sein musste, nicht mehr aus dem Haus. Es gab fast ständig Fliegeralarm und die Leute hielten sich mehr oder weniger nur noch in den Luftschutzräumen auf. Das Gebiet entlang der Bahn und auch der Bahnhof lagen nun fast ständig unter Beschuss. Der Bahnhof erlitt dabei schwere Schäden.

Traurig ist die Geschichte der Geschwister Finé von der Opladener Straße.

Beide spielten friedlich, als am 16.02. Fliegeralarm gegeben wurde, ängstlich suchten die beiden den Keller ihres Elternhauses auf. Eine Bombe schlug in des Haus ein, riss den schweren Gussofen der Familie mit herunter bis in den Keller und explodierte. Beide Kinder waren sofort tot.

Gisela wurde nur 8 Jahre alt, ihre Schwester 10.

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Foto: Kiesewalter 2012

Die Angaben auf dem Grabstein sind nicht ganz richtig. Beide wurden am 14.02. geboren, allerdings mit 2 Jahren Unterschied!

Weiter kamen durch Bomben am 03.03. im Tiergarten Albert Pesch und Franz Schäfer ums Leben.

Bei einem Luftangriff auf Opladen wurde Friedrich Moning aus der Uferstraße verletzt, er verstarb am 13.03. im Lazarett Roderbirken.

Mit dem Einmarsch der Amerikaner endete auch die Gefahr aus der Luft in Leichlingen.

Richard Engels schreibt dazu in seinen Aufzeichnungen : "...die Sirenen bleiben stumm und es herrschte auf einmal eine Ruhe, wie wir sie lange nicht gekannt haben".

Anmerkung :

Viele alte Menschen schrecken noch heute auf, wenn die Feuerwehrsirene geht. Zu tief sitzen die Schrecken in ihnen, welche sie damals erleben mussten. Gerade jetzt, wo das alte Signal "Luftalarm" heute als "Warnsignal für die Bevölkerung" wieder eingeführt wurde. Mir persönlich fällt es schwer, sich vorzustellen, was die Bürger unserer Stadt damals an Angst und Schrecken mitmachen mussten. So etwas kann man sich heute, wo wir 70 Jahre in Frieden leben, einfach nicht mehr vorstellen.

Es darf nie wieder passieren!

Quellen :

Buch : Richard Engels – Erinnerungen 1939-1945 Buch : Paul Krautmacher – Leichlingen

Erzählungen von Zeitzeugen und deren Aufzeichnungen.