Um 1400

Aus Geschichte Leichlingen
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um 1400 entstand vielleicht die Sage von den Frauen vom Heribertsborn:
Drei Jungfrauen, schön von Gesicht und Gestalt, geschult in Gesang und Tanz, lebten vor Zeiten am Heribertsborn, der heilspendenden Quelle im großen Wald zwischen Leichlingen und Witzhelden. Wenn der Mond kreisrund am Abendhimmel aufstieg, die hohen Buchenstämme im Umkreis der Quelle ihre Schatten lang auf das Moospolster des Waldes legten, dann war die Feierstunde der Frauen gekommen. Von linder Luft getragen, schwebten sie nebelhaft durch den Buchendom. Von ihren hauchdünnen Gewändern ging ein lichtgrüner Glanz aus, während ihr Haar einen goldenen Schein verbreitete.
Zur Sommerzeit tauchten sie häufig im Heribertsborn unter, fröhlich im Wasser plätschernd wie glückliche Kinder. Erschöpft vom Springen und Tanzen ruhten sie nachher im Waldgrase aus, ihre Gewänder aber trockneten sie in den Zweigen der Haselsträucher.
Ein Wanderer, der sich in dem endlosen Wald einmal verirrte, durfte Zeuge dieses Elfentanzes sein. Von ihm erfuhren es die Bauersleute auf dem Hofe "Über dem Busche". Schnell verbreitete sich nun die Kunde von Mund zu Mund, von Kirchdorf zu Kirchdorf. Kluge Leute wollten wissen, dass demjenigen, dem es gelinge, die feinen Frauengewänder an sich zu bringen, lebenslang das Glück begleite.
Nun lebte zu der Zeit auf der Burg Leysiefen ein Junker, der wenig von der Arbeit, aber sehr viel vom Pirschen und Jagen hielt. Der hörte auch von den Frauen, als er einmal bei seinem Vetter auf dem Haus "zum Stade" zu Gast weilte. Er nahm sich vor, auf einem Jagdzuge die Frauen beim Baden zu überraschen und sich ihre Kleider anzueignen.
Eines Tages zog er, in ein grünes Jägerwams gekleidet, den Vorderlader auf dem Rücken und das Pulverhorn an der Seite, dem Waldwege nach, der ihn über die Wupperhöhe ins Revier des heiligen Borns brachte. Im Dickicht unterhalb desselben versteckte er sich, der Dinge harrend, die nun kommen würden. Sein Wunsch sollte sich eher erfüllen als er gedacht, aber auch anders als er es erhofft.
Während er sich im Glückstraum wiegte, huschten die Lichtelfen über die offene Waldfläche, entkleideten sich unhörbar, um dann ebenso schnell im Quellchen unterzutauchen. Ihr bezaubernder Gesang bannte den Willen des Jägers. Erst als sich die Jungfrauen auf dem Moose zur Ruhe niedergelassen hatten und eingeschlummert waren, versuchte er, die feinen Gewänder zu entwenden.
Mit dem Junker aber war auch eine Bäuerin Zeugin des fröhlichen Treibens, von deren Anwesenheit der Ritter nichts wusste. Als sie die Absicht des Jägers erkannte, schrie sie so laut auf, dass von ihrem Ruf die Schläferinnen erwachten, die, schnell ihre Kleider ergreifend, wieder in der Richtung verschwanden, von der sie gekommen waren.
Der Junker aber sah nur noch die aufgeschreckten Frauen im Born untertauchen, dann aber stürzte ein Wasserstrahl nach dem anderen auf ihn herab, so dass er pudelnass und erblindet als hilfloser Mann liegen blieb.
Die Bäuerin, die die drei Jungfrauen in den Farben des Regenbogens entschwinden sah, nahm sich des erblindeten Junkers an, führte ihn auf seine Burg zurück, wo er hinfort ein Leben in Elend und Not führte. Er, der über ein großes Schloss, viel Wald, eine große Fischerei und eine noch größere Jagd verfügte, ist als Bettler, auf das Mitleid seiner Untergebenen angewiesen, in völliger Armut verkommen.

Die Bäuerin aber begleitete fortan das Glück, das der Ritter sich gewaltsam stehlen wollte. Schon auf ihrem Heimwege erfreuten sie drei wunderschöne Vöglein, deren Gefieder bunter strahlte, als das von Goldammer, Specht und Eichelhäher. Ihrem Gesang folgend, erreichte sie gesund und froh wieder ihren Hof über dem Busche.
Als sie als junge Mutter dann ihr erstes Kind in den Armen hielt, traten unerwartet drei Frauen in ihre Kammer, wünschten ihr Glück, dem Kind aber spendeten sie gute Gaben. Und so oft sie einem Kind das Leben schenkte, immer fanden sich die Frauen zur Taufe ein, um sich an ihrer Retterin dankbar zu erweisen. Die Windeln und Kleider, die sie den Kindern schenkten, waren von feinster Leinwand gesponnen, die Kleinen blieben darin von Krankheiten und Wunden verschont.
Als sie dann zu gesunden Kindern herangewachsen waren, wurden sie mit neuen Geschenken bedacht: der älteste Knabe erhielt eine Flöte, auf deren Ton die Waldvögel zutraulich heran flogen. Sie ließen sich greifen, so dass der Knabe mit ihnen spielen konnte.
Der zweite Junge wurde mit einem großen Bogen beschenkt. Der Pfeil, der von seiner Sehne flog, erreichte das fernste Ziel und auch das schnellste Wild.
Der dritte durfte sich über ein Netz freuen, in dem sich, so oft es ins Wasser der Wupper gesenkt wurde, die schmackhaftesten Fische fingen.

Auch die Mädchen erhielten allerlei Spielzeug, das ihrer Art entsprach. Auf einem Spinnrocken, der sich von selber drehte, konnten sie die feinsten Fäden spinnen, auf einem Webstuhl die feinsten Kleider weben, aber mit dem Schönsten wurde die jüngste Tochter beschert. Ein Spiegel verriet ihr alles, was sie wissen wollte, sogar die Gedanken der Menschen, die mit ihr in Berührung kamen.
Der Wirtschaft des Büscherhofes aber wurde auch der Segen zuteil, den die Frauen spendeten: Keines der Körnlein, die dem Acker anvertraut wurden, ging verloren; kein Baum verdorrte, und keine Blume im Hausgarten verwelkte vor ihrer Zeit. Die Getreidefelder brachten vielfachen Ertrag, Keller und Speicher leerten sich nie; wie viel auch daraus verkauft, verbraucht oder verschenkt wurde. Das Vieh im Stall blieb von Seuchen verschont und kein Ungeziefer vernichtete die Körner in den Ähren.

Den Nachbarn blieb der Segen, der auf dem Oberbüscherhofe ruhte, nicht verborgen. Sie beobachteten es teils mit neidischen, teils mit frohen Blicken. Wenn sie sich an Spinnstuben- oder Strövabenden darüber unterhielten, dann kamen sie immer wieder auf die Männlein zu sprechen, die im Auftrage der drei Frauen vom Heribertsborn die Hilfe einer Bäuerin über Jahrzehnte hin belohnten. Heute noch steht der Oberbüscherbof, aus einem Bauernhof ist längst eine Ortschaft mit sauberen Bürgerhäusern geworden; sie alle haben teil an den Segnungen des Landstriches, der einstmals größtes Leichlinger Waldgebiet war. An die Frauen des Heribertsborns erinnern heute noch eine Quelle im waldigen Grunde und der Flurname "Am Juffernplatz".


aus: Fritz Hinrichs, Leichlinger Heimatbuch, Bd, I, S. 16 ff
--KlausAdams (Diskussion) 22:40, 15. Jan. 2015 (CET)